Dienstag, 29. April 2014

Frühling

Vappu steht vor der Tür. Vappu, das große Studentenfestival auf das alle schon seit Wochen hinfiebern. Der große Ausnahmezustand erstreckt sich von 17:00 Uhr am 30.04. bis an den Abend des 01.05. Es gibt die traditionelle Waschung einer Statue am 30. und das allgemeine Picknicken am 01. und dazwischen natürlich die Partynacht. Kaufhäuser haben sogar extra einen Teil des Gebäudes darauf ausgerichtet Luftballongs zu verkaufen... in allen Variationen.
Aber bevor dieses Spektatel morgen beginnt muss ich sagen: Es ist endlich Frühling geworden!
Nicht, dass es deswegen besonders warm wäre, aber immerhin wachsen die Blätter an den Bäumen und Blumen sprießen.






















 Heute und gestern hatten Simon und ich ein Seminar im Hauptgebäude- alt ehrwürdig mit Stuck an den Decken und Wänden. Wirklich sehr schön. Das Ungewöhnliche hier ist, dass im obersten Stockwerk, wo wir Unterricht hatten, extrem viele Statuen herumstanden. Sie sahen sehr römisch/griechisch aus und waren nicht aus Stein, sondern aus weiß gestrichenem Metal. Diese Dinger standen an den Flurwänden, wie Jackenständer und das lässt natürlich die Vermutung zu, dass sie nicht nur Dekoration waren. Vielleicht war ja die Fakultät für Kunstgeschichte in der Nähe. Ich war noch nie zuvor auf diesem Stockwerk, weil wir sonst die aller meisten Veranstaltungen in einem anderen Gebäude haben. Da war das schon interessant.

 Und sonst? Naja, es geht zu Ende! Also mein Auslandsjahr. Meine Vermieterfirma HOAS hat mich schon zwei Mal daran erinnert, wie ganz genau dich die Wohnung vorm Auszug zu säubern habe usw. Dass sie mir den Putzlappen nicht auch noch persönlich in die Hand drücken ist grad alles. Heute sind auch meine beiden letzten Jura- Kurse zu Ende gegangen. Jetzt fehlen nur noch ein kurzer Aufsatz und eine Französischklausur (nächsten Montag) und dann bin ich frei, frei, frei! Dann muss ich mich nochmal mit dem abschließenden Papierkrieg auseinandersetzen, was kein Problem wird, WENN alle meine Lehrer meine Noten bald in mein Onlineregister eintragen. Kaum zu fassen, was meine Heimatuni alles nachgewiesen haben will... Und wie lange Menschen brauchen können, um Klausuren und Aufsätze zu korrigieren.

Tja, viel mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen, außer der Topsensation, dass meine Karriere an der Uni Helsinki fast vorbei ist und dass bald das Programm "Awesome May" hochgefahren wird. Im Mai wollen Simon, zwei österreichische Freundinnen und ich nochmal Südfinnland unsicher machen und noch nach Kopenhagen.


Dienstag, 8. April 2014

St. Petersburg

Ja, es ist schon wieder einige Zeit vergangen und abgesehen von der Tatsache, dass ich schon wieder meinen halben Studienplan neu ordnen musste, ich eine ungebetene zusätzliche Mitbewohnerin bekommen habe und in St. Petersburg war, ist nichts passiert. Oh, doch, ich habe heute das erste Mal in meinem Leben freiwillig und nicht nur anstandshalber Rosenkohl gegessen. Eine Premiere! (ja, ich weiß, das sind Informationen, die die Welt interessieren :D )
Die Sache mit der Mitbewohnerin nervt, weil Linda (eigentlich die angenehmste Mitbewohnerin, die ich je hatte) ihre beste Freundin hier in Helsinki bei uns einquartiert hat und ich diese Freundin auch kenne und nicht besonders mag. Linda hat weder gefragt noch angekündigt, dass jemand zu uns zieht, daher bin ich etwas angenervt. Ülane geht es genau so, das schreit nach einer Krisensitzung. Ich hasse so was, weil Linda eigentlich meine Freundin ist.

Was meine Vorlesungen hier angeht ist jetzt alles wieder okey, aber kurzfristig ist mal wieder alles den Bach runter gegangen... Ich hatte einen Mega- Anfall.

Aber nun zum interessanten Teil: Russland. Drei Tage, für die wir kein Visum brauchten. Es waren wieder die üblichen Verdächtigen: Linda, Eliana (beide Italien), Andrea und Cristina (Spanien) und ich.
Wir sind mit der St. Peterline gefahren, also einer Fähre, ähnlich denen, die nach Tallinn fahren. Diesmal hatten wir auch Kabinen und so weiter, weil wir über Nacht gefahren sind. Weil es Vierer- Kabinen sind
habe ich in einer anderen Kabine geschlafen und mal wieder ein paar Deutsche getroffen- aus Karlsruhe.
Hier auf dem Bild könnt ihr sehen, wie riesig die Kabinen waren ;) 9 qm, inklusive Bad. Zwei Betten unten, zwei konnte man von der Wand klappen. Auf dem Schiff gab es einen Laden, zwei Bars, ein Sushi- Restaurant, ein Casino...
Und unten im Bug haben sich vor der Abfahrt ganze LKWs, Reisebusse und viele Autos eingeladen. Schon verrückt, wie so was noch schwimmt...
Und dann war es tiefe Nacht, und weil auf dem Schiff der Alkohol günstig war, waren natürlich alle betrunken... Naja, das ist wohl ein ganz normales Phänomen, wenn man von Finnland aus fährt, wo der Alkohol Unsummen kostet.
Als wir dann in St. Petersburg angekommen waren und im ersten Souveniershop standen, wusste ich auch, was ich kaufen wollte: Eine Matrioschka. Also diese lustigen Holzpuppen, die man hier sieht. Sie waren tatsächlich nicht ganz günstig, obwohl es so viele davon gab, aber sie waren teilweise wirklich Kunstwerke.
 Wir sind dann weiter ins Hotel gefahren
und, weil die anderen gloreicherweise so müde waren, dass sie gleich mal verschlafen haben, bin ich am Abend alleine ins Stadtzentrum gelaufen. Die Nevski- Prospekt ist eine der größten Straßen der Stadt, vermute ich mal. In einer ihrer Seitenstraßen stand die "Kathedrale des vergossenen Blutes", weil bei ihrem Bau so viele Leute gestorben sein müssen. Trotzdem ist sie wunderschön. Die russisch- orthodoxen Christen verkünsteln sich immer sehr bei ihren Gotteshäusern.
Hier auf dem Bild kann man die Stromleitungen sehen, die in der Stadt offensichtlich größtenteils oberirdisch verlaufen. Naja, das ist Technik, von der ich dachte, dass sie in solchen Metropolen nicht mehr vorkommt... Es gab noch einige andere Unterschiede, die mich überrascht haben: Rauchen in Restaurants ist immernoch erlaubt. Werbung durch Megaphons oder Lautsprecher an Häusern ist auch kein Problem, genau so, wie jeder immer und überall Flyer verteilen darf. Auch in der Metro ist Werbung durch Händler erlaubt. Und Russen scheinen wirklich unfreundlich zu sein. Kellner, Leute auf der Straße, die einen halb umrennen, Metro- Fahrkartenverkäufer, Leute, die sich um die Jacken an Museumsgarderoben kümmern... und natürlich kann kaum jemand auch nur ein Wort Englisch.
Naja, jedenfalls haben wir uns dann später in der Stadt getroffen, nachdem alle wach waren und sind dann später irgendwann in ein typisch russisches Restaurant eingefallen. Es gab die russische Spezialität Borsch, die auch schon Maria einmal für uns gemacht hatte.

 Etwas früher am Abend haben wir noch den stadtältesten Süßwarenladen gefunden. Das Gebäude selbst sah schon herrschaftlich aus und die Schaufenster waren bunt beleuchtet.
Innen war alles sehr edel ausgestattet. Goldmaserung an den Decken, spezielle Vorhänge, alles glitzerte und funkelte gläsern, ein Pianist spielte auf einem Klavier, Schokolade und Torten stapelten sich in Vitrinen, auf Tischen und Regalen.


Und in der Mitte des Raumes prangte eine riesige Ananas. Ananas in Russland? Deswegen, weil sich der Laden nach seiner Gründung darauf spezialisiert hatte, die Reichen der Stadt mit Luxuswaren zu versorgen, also auch mit exotischen Früchten. Diese Absicht kann man immer noch sehr gut nachvollziehen, wenn man das Geschäft betritt.

 Am nächsten Tag stand ein Besuch im Eremitage- Museum an. Ein Kunstmuseum von Weltrang... was ich aber vorher auch nicht wusste. Ja, mir ist aufgefallen, dass ich ein absoluter Kunst- und Kulturbanause bin, weil ich keinen blassen Schimmer von Kunstinterpretation habe. Es muss einfach nett aussehen, dann mag ich es. Sonst einfach nicht.
Daher werden Picasso und ich nie Freunde werden.
 Das Eremitage ist einmal der Winterpalast der Zarenfamilie gewesen, daher der ganze Prunk. Überall glatter, weißer Marmor und vergoldeter Stuck.
 Und hier noch die Highlights der Kunstwerke, die ausgestellt wurden. Hier links, na, wer erkennt den Künstler? Leonardo Da Vinci, richtig! Zwei von seinen zehn Werken hängen hier im Museum. Und er hat als erster begonnen mit Öl zu malen.
 Das hier rechts ist von Rembrandt. Es wird von einer Glasplatte im Rahmen geschützt, weil vor einigen Jahren mal ein Besucher nach dem wertvollsten Gemälde gefragt hat. Als der Führer keine so rechte Antwort darauf wusste, weil man ja jedes Gemälde schätzen lassen müsste, hat er gesagt, dieses hier sei zweifellos sehr wertvoll. Der Besucher hat Säure draufgeschüttet und ein Großteil des Werks musste restauriert werden.
Gemälde von Monét haben wir auch gesehen und das hier links ist mein Liebling. Nicht nur, weil ich es ganz besonders schön finde, sondern auch, weil es mich an das Schlafzimmer meiner Großmutter erinnert, wo ein gerahmtes Plakat davon hing, bevor sie in ein anderes Haus gezogen ist. An dieser Stelle: Hallo, Oma! :)
An diesem Tag hat es leider fast Bindfäden geregnet. Die anderen vier haben eine Kirchen- Tour gemacht, ich bin etwas durch die Stadt gezogen und habe mir eine Matrioschka gekauft. Als meine Socken nass und meine Beine müde waren, bin ich zurück zum Hotel, um ein Nickerchen zu machen.













Am Abend hatten wir noch ein typisch russisches Abendessen mit volkstümlicher Show gebucht. Es gab mal wieder Borsch, aber das ist leider auch das einzig Gute, was man zum Essen sagen kann. Ich fürchte, dieses Abendessen war nur eine sehr magere Ausgabe davon, was die Russische Küche zu bieten hat. Lustig war allerdings die Show. Es waren zwei Frauen und ein Mann mit Akkordion, die erst Volkslieder sangen und uns später bei russischen Volkstänzen zum Mitmachen animiert haben. Das hat den Abend gerettet. Danach wurde, wie schon am Abend zuvor, angeboten feiern zu gehen, aber wir waren jeden Abend total k.o. Der Typ, mit dem ich mein Doppelzimmer im Hotel teilte (wir waren ja zu fünft unterwegs, also musste einer mit einem Fremden ins Zimmer), kam jeden Abend erst spät in der Nacht ins Zimmer. Keine Ahnung, wie er das geschafft hat.

 Am dritten Tag mussten wir wie immer früh raus, das tolle, große Frühstück genießen, auschecken und es ging zum letzten großen Stopp unserer Tour. Der Sommerpalast der Zarenfamilie, und damit Katharina der Großen, im Zarendorf, wo auch Alexander Pushkin gewohnt hat.

Der Prunk vom Sommerpalast steht dem vom Winterpalast (Eremitage- Museum) in nichts nach. Riesige Ballsäle, für die man solche peinlichen Schuhüberzieher tragen musste, damit die Böden nicht beschädigt werden, Seidentapeten, kunstvolle Gemälde an den Decken, Kronleuchter...
Ich fand diesen Teppich total beeindruckend. So riesig und bunt... ihn herzustellen muss Jahre gedauert haben.
Würde Katharina die Große heute leben, würde sie das sein, was man ein It- Girl nennt. Sie hat jedes ihrer Kleider nur ein Mal getragen, einmal vielen bei einem Brand 4000 davon dem Feuer zum Opfer, aber bei ihrem Tod zählte man 50 000 Kleider in Katharinas Besitz. Sie liebte den Luxus. Ziemlich vermessen für die Zeit, in der sie gelebt hat... nur falls man meine Meinung hören will.
Auf dem Bild sieht man eine ihrer Roben und auf dem Gemälde an der Wand, trägt sie diese sogar gerade.
Der meterhohe, verzierte Kamin der da
zu sehen ist, ist übrigens aus Keramik. Die sind in jedem Zimmer in der Anzahl, wie heute Heizkörper.

Und dann kam das weltberühmte Bernsteinzimmer. Das Original ist ja verschollen und es wird den Nazis nachgesagt, für sein Verschwinden verantwortlich zu sein. Es wurde jedenfalls nachgebildet. Sechs Tonnen Bernstein wurden hierfür verwendet. Eine enorme Menge, wenn man bedenkt, wie leicht Bernstein ist. 


Klar, im Vergleich dazu, wirkt die Seidentapete mickrig, aber ich wollte dieses Kunstwerk trotzdem posten.
 Wir haben alle solche Knöpfe ins Ohr bekommen, damit unser Museums- und Tourführer uns alles erklären konnte, ohne in der Gegend rumbrüllen zu müssen. Es waren wirklich viele Gruppen zur selben Zeit unterwegs, wie wir. Trotzdem sah es etwas dämlich aus ;) Aber eine gute Idee.














Danach haben wir uns noch den Palastgarten angesehen. In St. Petersburg und Umgebung ist es noch mindestens genau so kalt wie hier in Helsinki (3 C° und noch kälterer Wind), also ist noch nicht sonderlich was gewachsen.
Wir sind dann zurück zum Hotel, um die Koffer einzusammen und wir haben die Zeit genutzt, um noch die angepriesene Metro zu sehen. Das U- Bahnsystem ist übersichtlich, sodass die Schmuckstücke unter den Haltestellen leicht zu finden waren. Marmorhallen, Gemälde, Statuen, Kronleuchter und der gleichen haben die Metrohaltestellen natürlich deutlich von denen in Helsinki unterschieden. Es sieht wirklich aus, als wäre man in einem unterirdischen Palast. Die Metro ist außerdem die tiefste der Welt, habe ich gehört. Es braucht tatsächlich fünf Minuten bis man unten ist mit der Rolltreppe. Ein Eintritt in die Metro hat 28 Rubel gekostet- also weniger als 50 Cent. In der Reisegruppe war auch ein Mädchen, das ich im August im Sprachkurs kennen gelernt habe. Es waren viele aus meinem Wohnheim dabei, was ich gar nicht wusste. Ich habe Leute aus meinem Französisch- Kurs getroffen... Ich hab also unerwarteterweise echt viele Leute zumindest vom Sehen gekannt. Das war schon lustig. Dann gings wieder zurück zum Hotel, wo der Bus zum Hafen ab fuhr. Auf dem Weg dahin, es war mitten am Tag bei Sonnenschein, ist uns ein Typ zu Leibe gerückt, der ganz dicht hinter uns gelaufen ist und immer wie ein Verrückter geschrien und gebrüllt hat. Ich habe mir überlegt auf Englisch zurückzuschreien, aber das hätte er ja eh nicht verstanden. Also haben wir gemacht, dass wir zu unserem Hotel kamen. Sie warnen auch sehr vor Taschendieben in St. Petersburg.
Dann ging es wieder aufs Schiff, zurück nach Finnland. Wir saßen in einer Bar, haben was getrunken und entspannt. Jazz- Musik kann was wunderbares sein.

Jetzt wird hier erst mal noch fertigstudiert und dann gehts Mitte Mai noch mit Simon und zwei österreichischen Kolleginnen nach Kopenhagen. Man gönnt sich ja sonst nichts ;)

Meine Spanier und Italiener sind dann schon auf dem Heimweg...